Rasse: ein problematischer Begriff, Deutschlandfunk Nova „Hörsaal“, 25. November 2017

Audio-Download der beiden Vorträge als mp3-Datei

Die beiden Vorträge von Markus Messling, stellvertretender Direktor des Berliner Zentrums Marc Bloch, und Georg Töpfer, Leiter des Forschungsschwerpunkts Lebenswissen am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin, stammen von der Veranstaltung „Wieder salonfähig? Geschichte und Begriff der Rasse in den Wissenschaften“ des Einstein Forums am 4. Juli 2017, Gesprächsleitung: Dr. Rüdiger Zill, Potsdam

Darstellung des Einstein Forums:

Die Vorstellung, dass das Denken bluts- und abstammungsgebunden sei, war ein Beitrag der Wissenschaften vom Menschen zum nationalsozialistischen Rassenwahn. Als analytische Kategorie ist der Begriff „Rasse“ daher in Europa nach 1945 aus politischen wie erkenntnistheoretischen Gründen destruiert worden. Das gilt allerdings durchaus nicht systematisch; nur ein Beispiel: Der Diercke Weltatlas für die Schulen von 1976 zeigt neben vielen anderen Weltkarten noch eine solche der „Rassen“. Selbst in manchen biologischen Lehrbüchern wird der Rassebegriff bis in die 1990er Jahre ausdrücklich verteidigt. In vielen Kontexten hatten Rassen-Konzepte ohnehin ihre soziale Wirksamkeit behalten, vor allem da, wo es um ethnisch kodierte Diskriminierungspolitiken ging, etwa in den USA, wo der Begriff „race“ nicht nur bis heute zur offiziellen Bevölkerungspolitik gehört, sondern in den verschiedenen Kämpfen um Anerkennung von Minderheiten auch emanzipatorisch gewendet wurde. So hat der Kulturtheoretiker Paul Gilroy darauf hingewiesen, dass der Begriff nicht schlicht als ethisch verbraucht vorausgesetzt werden kann, sondern als erkenntnistheoretisch problematisch aufgezeigt werden muss. Dies gilt umso mehr unter den Vorzeichen unserer Gegenwart, in der Konzept und Begriff, implizit wie explizit, in zahlreichen Kontexten wieder aufgegriffen worden sind, von Thilo Sarrazins demografischen Obsessionen bis zur Genforschung und Evolutionstheorie, von der DNA-Paläontologie bis hin zu völkischen Nationskonzepten.

Vgl. dazu die romanistischen Publikationen von Markus Messling:

Darstellung zu den beiden Vorträgen auf der Seite des Radiosenders:

Gibt es Menschenrassen? Fragt man Biologen, lautet die Antwort im Tenor heute: Nein. Trotzdem ist die Vorstellung von menschlichen Rassen mit unterschiedlichen Eigenschaften in unseren Köpfen. Das ist problematisch, gleichzeitig kann unter bestimmten Umständen eine Einteilung unserer Spezies in Gruppen auch sinnvoll sein.
Der Begriff Rasse in Bezug auf Menschen ist in der europäischen Wissenschaft nicht mehr salonfähig. Unter anderem hat das mit den furchtbaren Auswirkungen der Rassenideologie zu tun.

„Die Idee, es hätte eine Aufklärungsbiologie gegeben, in der der Begriff der Rasse neutral, also ohne politische Implikationen verwendet worden wäre, ist schlicht falsch.“
Markus Messling, Philologe

Dass das Konzept der Rasse eine solche Sprengkraft entwickelte, ist dabei nicht verwunderlich, betrachtet man seine Wurzeln: Von Anfang an, so der Philologe Markus Messling in seinem Vortrag über die Geschichte des Begriffs, war der Terminus Rasse politisch.

„Beim Menschen besteht ein Großteil der genetischen Variationen innerhalb einer Population oder geografischen Typen.“
Georg Töpfer, Biologe und Philosoph

In einem zweiten Vortrag beschreibt der Biologe und Philosoph Georg Töpfer, wie viel Willkür in der Abgrenzung von Unterarten und Rassen generell besteht und erklärt, wie wenig wir Menschen uns genetisch unterscheiden.

Diese Unterschiede genügen nicht, um Unterarten – so der heute gängige Begriff – zu unterscheiden. Trotzdem, betont Töpfer im Hörsaal, kann in bestimmten Kontexten eine Einteilung der Menschheit in Gruppen nützlich sein, etwa für spezifische medizinische Therapien.

„Die heutige gängige Sicht auf Rassen ist, dass sie kulturelle Konstrukte sind.“
Georg Töpfer, Biologe und Philosoph

 

 

Ill.: Franck Barre, Figeac, Table de Champollion

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