„Die Frottola als Innovation der poesia per musica“, Rezension von Florian Mehltretter (LMU München) des Buchs von Sabine Meine, Die Frottola: Musik, Diskurs und Spiel an italienischen Höfen 1500–1530, Centre d’études supérieures de la Renaissance (Tours), Épitome musical (Turnhout: Brepols, 2013), 430 S. – im kommenden Heft der Romanischen Studien
Unter Frottola (ital.) versteht man in der italienischen Renaissancemusik eine vierstimmige, schlichte Liedform aus dem Zeitraum von etwa 1430 bis 1530. Dieser Liedstil wurde an den Höfen von Mantua und Ferrara entwickelt. Das Lied ist vom lateinischen „Frocta“ abgeleitet und bezeichnet dort ein Konglomerat willkürlicher Gedanken. Als kompositorischer Begriff wurde es für die verschiedensten Werke verwendet.
Viele Frottolen stammten von Sänger-Lautenisten, beispielsweise von Marchetto Cara und Bartolomeo Tromboncino, doch wurde der populäre Stil von vielen anderen Komponisten, unter anderem von Josquin Desprez, nachgeahmt. Die Weiterentwicklung der Frottola ist das um 1530 entstehende Madrigal.
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Auszug aus der Rezension:
Die Frottola, eine auf den ersten Blick überraschend schlichte Liedgattung im Italien des frühen 16. Jahrhunderts, ist lange Zeit eine Provokation der Literatur- und Musikwissenschaft gewesen: Wie erklärt sich ein scheinbar so unterkomplexes Gebilde in der Epoche des Cortegiano und der Asolani? Gelegentlich wurde hier das Zauberwort ‚volkstümlich‘ bemüht, aber abgesehen von allen anderen Schwierigkeiten, die man mit diesem Konzept haben mag, reibt sich eine solche Einordnung an der dezidiert höfischen Natur des zu erklärenden Kunstprodukts.
Aufbauend auf vereinzelten Arbeiten vor allem italienischer Forscher, aber mit hohem und originellem wissenschaftlichem Eigenanteil, hat nun Sabine Meine mit ihrer hier vorzustellenden Habilitationsschrift erstmals eine umfassende Analyse der Gattung der Frottola vorgelegt, und zwar gleichermaßen überzeugend hinsichtlich ihrer musikalischen wie literarischen Dimensionen und eingebettet in eine genaue kulturwissenschaftliche Untersuchung gerade des höfischen Umfelds der Frottola.
Die Gattung (oder metrisch gesehen: Gattungsgruppe) erneuert am Ende des 15. Jahrhunderts (ähnlich wie die geistliche Lauda) die in der italienischen Lyrik ansonsten bereits im Hochmittelalter verloren gegangene Einheit von Lyrik und Musik wie sie die Trobadorkanzone einst gekannt hatte. Damit ist nicht die Möglichkeit gemeint, Gedichte nachträglich mit einer Melodie ‚einzukleiden‘ (diese war nach wie vor gegeben), sondern eine quasi ursprüngliche Bindung zwischen Musik und Text, die nicht selten mehr oder weniger gleichzeitig entstanden.
Fortsetzung im kommenden Heft der Romanischen Studien
Ill.: „Aimè che fai“, frottole for 4 voices, from a presentation songbook, c.1496. Modena, Biblioteca Estense, it. 1221, fol.65v (Il Bulino)