Charles Baudelaire 1867–2017: 150. Todestag und Neuübersetzung
Uta Rüenauver, „Was bedeutet Baudelaire für Dichter von heute?“, Deutschlandfunk Kultur, Zeitfragen, 25.8.2017.
Manuskript pdf: „Die Panflöte des Meisters Baudelaire: junge Dichter und ein großes Vorbild“
Audiofassung der Sendung (mp3):
An dem Franzosen Charles Baudelaire, Schöpfer des Gedichtbandes „Die Blumen des Bösen“, führt auch für heutige Poeten kein Weg vorbei. Uwe Kolbe, Monika Rinck und der diesjährige Büchner-Preisträger Jan Wagner erzählen von ihrer Begegnung mit einem großen Vorbild, das vor 150 Jahren starb.
Charles Baudelaire (1821–1867) ist das Urbild einer bedingungslosen literarischen Existenz: ein „poète maudit“, zerrissen und voller Verachtung für die bürgerliche Waren- und Funktionswelt, an Spleen und Ennui leidend und aus der Fremdheit gegenüber der Wirklichkeit seine poetische Energie beziehend.
Für Baudelaire ist die Welt nichts und die Dichtung alles. Die Großstadt war ihm als Erstem reiner Imaginationsraum, er verwandelte Hässlichkeit und Krankheit, Tod und Verfall in formvollendete poetische Landschaften. Was bedeutet dieses Rollenmodell des modernen Dichters den Gegenwärtigen? Welche Bedeutung hat Charles Baudelaire für die poetische Sozialisation heutiger Schriftsteller? Uwe Kolbe, Monika Rinck, Jan Volker Röhnert, Aris Fioretos und der diesjährige Büchner-Preisträger Jan Wagner erzählen von ihrer Begegnung mit einem großen Vorbild.
(Rüenauver, „Was bedeutet Baudelaire für Dichter von heute?“)
Ruthard Stäblein, „Warum Charles Baudelaire so einflussreich wurde“, Neue Zürcher Zeitung, 26.8.2017.
Tobias Schwartz, „Wer nur Wasser trinkt, verbirgt was: Essays von Baudelaire“, Die Tageszeitung, 17.6.2017
„Prosatexte von Charles Baudelaire“, hr2-kultur | Lesezeit | 9:30 Uhr | 28.08.-01.09.
Zum 150. Todestag von Charles Baudelaire am 31. August in der Lesezeit eine Woche lang Prosatexte des französischen Dichters.
Der Baudelaire der 80er Jahre ist für mich der Baudelaire, den man in Seminaren belegen konnte und über den man unendlich lang sinnieren konnte über irgendwie eine Verschiebung innerhalb der Syntax oder eine Doppeldeutigkeit eines Wortes. Aber es war nicht mehr der Baudelaire der Anfangszeit, das war ein herauspräparierter Baudelaire. Und irgendwann verlor ich dann die Lust dazu. Aber als ich vor jetzt zehn Jahren einen Essay schrieb, um für mich selber wenigstens zu artikulieren, was der Autor für mich so sein konnte, da hab ich wieder Baudelaire gelesen. Und das waren dann die Prosasachen, die aphoristischen Sprengsätze, wo er so etwas wie den Habitus des modernen, zerrissenen Autors entwarf. Das ist der Baudelaire, den ich am meisten heute schätze.
(Aris Fioretos, in Rüenauver, „Die Panflöte des Meisters Baudelaire“)
„Baudelaire à Paris : Un marginal sous le règne du Roi bourgeois“, Les Nuits de France Culture par Philippe Garbit,
En 1980, pour la série „Un homme, une ville“, Jean Montalbetti explore les liens entre le poète Charles Baudelaire et la capitale. [Réécouter] – [Charles Baudelaire sur France Culture]
Neuübersetzung der Fleurs du Mal von Simon Werle
La forme d’une ville
change plus vite, hélas ! que le cœur d’un mortel.
(Charles Baudelaire)„Noch schneller umgestalten / als Menschenherzen kann sich, ach, die Form der Stadt“
(Baudelaire: Die Blumen des Bösen, übersetzt von Simon Werle)Zit. nach Andreas Trojan, „Neuübersetzung: „Die Blumen des Bösen“ von Charles Baudelaire“, Bayerischer Rundfunk, Diwan, 2.8.2017.
Charles Baudelaire: „Les Fleurs du Mal“ „Die Blumen des Bösen“ Gedichte. Übersetzt von Simon Werle.Zweisprachige Ausgabe. Rowohlt, 528 Seiten, 38 Euro.
Am 7. September 2017 wird Simon Werle mit dem Eugen Helmle Übersetzerpreis geehrt.
In die jetzt, pünktlich zu Baudelaires 150. Todestag erschienene Neu-Übersetzung der Fleurs du mal hat Simon Werle, die einzelnen Abteilungen und jeweiligen Zusätze sorgsam trennend, alles aufgenommen, was bis 1868 zu Tage gekommen ist. Was für eine Herkules-Tat! Knapp fünfhundert Seiten Lyrik-Übersetzung, und das in der Nachfolge von Stefan George, Walter Benjamin, Rainer Maria Rilke, Ferdinand Hardekopf, Graf Wolf von Kalckreuth, Wilhelm Hausenstein, Bertolt Brecht oder Friedhelm Kemp.
(Jürgen Ritte, „‚Blumen des Bösen‘ neu übersetzt“, Deutschlandfunk, Büchermarkt, Buch der Woche, 20.8.2017)
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Könnte es nicht eine Ausgabe der „Blumen des Bösen“ geben, die zu jedem Gedicht die jeweils beste Übersetzung auswählte? Viele Beiträge würden von Simon Werle stammen. Seine Übertragung schreckt nicht vor den grellen, Himmel und Hölle bewegenden Bildern der „Fleurs du Mal“ zurück. Lieber übertreibt er das Befremdliche an Baudelaires Lyrik, als es abzuschwächen: Der Abgrund, „où mon cœur est tombé“, wird so zum „Schlund, in den mein Herz fiel tiefen Fall.“ Den wilden, romantischen, manchmal kitschigen Vorstellungen, die Baudelaire sich gestatten durfte, weil er sie der Herrschaft strenger Form unterwarf, hat keine andere Übersetzung so nachgegeben wie die neueste.
(Heinz Schlaffer, „Ruhm, Satan, dir und Preis“, Süddeutsche Zeitung, 5.8.2017)
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Anders als Friedhelm Kemp, dessen Ausgabe bei Hanser weiterhin lieferbar ist, begnügt sich Werle nicht damit, Baudelaire in eine Prosafassung zu bringen. Er will vielmehr Metrum und Reim des Originals weitgehend erhalten und entscheidet sich dabei für kluge Kompromisse. So variiert er Baudelaires Alexandriner und sucht nicht auf Gedeih und Verderb nach Reimen nur um des Reimes willen. Stattdessen lässt er unreine Reime und Assonanzen zu und schafft einen Tonfall, der den Baudelaire’schen kongenial nachempfindet.
(Rainer Moritz, „Charles Baudelaire: ‚Les Fleurs du Mal‘. Der Klassiker neu und kongenial übersetzt“, Deutschlandfunk Kultur, 5.8.2017.)