I have a dream: ästhetische Bildung

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Aus dem Artikel „Ästhetische Einsamkeit: Bildung außerhalb des Kanons“ von Manuel Clemens:

Es stellt sich deshalb die Frage, wer weiß das schon wie man vom Leben in die Kunst kommt, um sich zu bilden und anschließend, wie man nach der ästhetischen Bildungsphase wieder in das Leben gelangt ohne von den dortigen Anforderungen wieder so sehr vereinnahmt zu werden, dass die Bildung in der realen Welt nicht zur Wirkung gelangt. Weil diese Übergänge schwierig und einsam sind, reduziert sich die Bildungsidee oft auf Pathos: Da man nicht weiß, wie sie funktionieren soll, aber als Idee immer noch für so gut befunden wird, kompensiert man ihre ausbleibende Umsetzung gern mit überschwänglicher Rhetorik. In meinem Beitrag möchte ich nun aufzeigen, was Bildung jenseits dieser pathetischen Falle, aber auch jenseits der schwierigen und daher oft ausbleibenden Übergänge sein könnte. Dafür werden wir nicht nur die ‚Klassiker‘ der Bildungsidee (Kant und Schiller) vorstellen, sondern in einem zweiten Schritt auch Anregungen und Kritik außerhalb dieses Kanons miteinbeziehen (Bergson, Bourdieu und Rancière). Dieser Ansatz soll schlussendlich darlegen, wie sich das Thema Bildung (und auch den Bildungsroman) unterrichten lässt, so dass die Grundkategorien erklärt und -Probleme erklärt werden können.

Zu Henri Bergson, Zeit und Freiheit:

Les rêves les plus bizarres, où deux images se recouvrent et nous présentent tout à la fois deux personnes différentes, qui n’en feraient pourtant qu’une, donneront une faible idée de l’interpénétration de nos concepts à l’état de veille. L’imagination du rêveur, isolée du monde externe, reproduit sur de simples images et parodie à sa manière le travail qui se poursuit sans cesse, sur des idées, dans les régions plus profondes de la vie intellectuelle.
Henri Bergson, Essai sur les données immédiates de la conscience (1888) (Paris: P.U.F., 1970).

Bergson bringt die als Dauer verstandene Traumdimension als Gegenpol zu einem pragmatisch-alltäglichen und zweckgerichteten Denken ins Spiel. Mit der Suspendierung des Realitätsbezugs des Ästhetischen und der Konzentration auf die Innendimension des Erlebens, konnte ein Gebiet gefunden werden, auf dem die (formenden) Anforderungen des Lebens nicht mehr als Widersacher der (ästhetischen) Seele auftreten. Das Problem bei Bergson ist jedoch, wie man aus dieser tiefen Innenseite der menschlichen Existenz, die noch tiefer als die ästhetische ist, wieder an die Oberfläche und damit in das Leben kommt.
Diese Frage kann an Freud delegiert werden.

Abbildungen: Exekution von Marie Antoinette durch die Guillotine, 1793, Place de la Révolution
Lincoln Memorial: Martin Luther King,  „I Have a Dream“

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