Cid-Epos im Spanischunterricht

Beiträge, Spanisch

Christian Grünnagel und Nicola Nier, „Weinende Helden, geschlagene Frauen: was uns das Cid-Epos über (mittelalterliche) Männlichkeit (und Weiblichkeit) verrät. Ein Plädoyer für den reflektierten Einsatz älterer Literatur im kompetenzorientierten Spanischunterricht der gymnasialen Oberstufe“, zur Publikation in Romanische Studien 6 (2016).

Welche Funktionen literarische Texte in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht erfüllen, ist seit geraumer Zeit in der Diskussion, insbesondere der Status sog. ‚älterer Literatur‘ erweist sich hierbei als prekär. Der vorliegende Beitrag sucht an dem konkreten Beispiel des altspanischen Heldenepos Cantar de Mio Cid (um 1200) einen Entwurf zu präsentieren, wie die kompetenzorientierte Arbeit mit SchülerInnen an Textauszügen zu einem vertieften Verständnis vom Konstruktcharakter des Geschlechts (Gender) und seiner historischen Wandelbarkeit führen und welche Relevanz diese Erkenntnisse im Rahmen der in den Bildungsstandards geforderten Lernziele und Kompetenzen entfalten können. Der didaktische Fokus richtet sich hierbei auf die fruchtbare Verbindung von Kompetenzorientierung und ‚älterer‘ Literatur, die eine explizite Thematisierung der Kategorie ‚Geschlecht‘ im Unterricht ermöglicht.

Auszug des Aufsatzes in der
Rubrik „Ars legendi“

Über die Rolle von Literatur im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht ist in den letzten Jahren schon viel geschrieben worden. Die Gegner bzw. Kritiker der Bildungsreformen nach PISA und Co. warnten (in Ansätzen gewiss auch zu Recht) davor, Inhalte komplett aus den Lehrplänen zu verbannen. Ihrer Angst vor inhaltsleerem, streng Output-orientiertem Unterricht, der zur Ausbildung der Kompetenzen1 eine konsequente Abkehr von bislang im Unterricht präsenten Werken des bzw. eines tradierten Bildungskanons erfordere, wurde jedoch bereits ebenfalls schon einiges entgegensetzt.2 Beiträge wie zuletzt Monika Neuhofers „Sprache ohne Kultur“3 (speziell am Beispiel Österreichs) oder Otto-Michael Blumes noch stärker reflektierte Recherche de la littérature perdue4 zeigen aber, wie aktuell und brisant die Diskussion um ein Gleichgewicht von Inhalts- und Kompetenzorientierung, von Input und Output noch immer ist.

Diese Diskussionen beziehen sich dabei in aller Regel auf den Englisch- und Französischunterricht – was sich damit begründen lässt, dass z.B. für das Fach Spanisch in Deutschland keine Bildungsstandards existieren. Eine implizite Orientierung am Fach Französisch ist hier die logische, ‚romanistische‘ Konsequenz. Betrachtet man nun die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) näher, so wird bereits in deren Einleitung deutlich, dass das übergeordnete Lehr- und Lernziel für die gymnasiale Oberstufe auch heute noch „eine vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropädeutische Bildung“5 ist. Ein weiterer Fokus liegt auf einem fachlichen Grundlagenwissen.6 Erst hierauf aufbauend erfolgt die Darlegung der Kompetenzen. Steinbrügge verweist allerdings zu Recht darauf, dass Literatur in den Bildungsstandards häufig nicht explizit genannt, sondern eher allgemein auf ‚Texte‘ verwiesen wird. Für den Kompetenzerwerb werde häufig nicht deutlich gemacht, ob dieser besser anhand von Sachtexten oder literarischen Texten erfolgen solle.7 Dieser Spielraum bietet den LehrerInnen die Entscheidungsfreiheit, mit welcher Literatur bzw. mit welchen Texten sie arbeiten. Eine reine Kompetenzorientierung und ein völliger Verlust der Inhalte zeichnen sich hier jedoch nicht ab. In der Fachpräambel wird nämlich gleich zu Beginn auf das Ziel der individuellen Mehrsprachigkeit und die Notwendigkeit der interkulturellen Kompetenz verwiesen.8 Als wesentliche Vorgabe des Fremdsprachenunterrichts gilt darüber hinaus die „Befähigung zum mündlichen und schriftlichen Diskurs. […] Sie umfasst wichtige interkulturelle Kompetenzen, die im Unterricht zusammen mit den sprachlichen Kompetenzen im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert erworben werden.“9 Die Bedeutung von literarisch und kulturell wertvollen Unterrichtsinhalten wird explizit ausgeführt:

Dabei werden kulturelle, politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, geografische und geschichtliche Aspekte berücksichtigt. Werke der Literatur, Filme, thematisch relevante Werke der darstellenden Kunst eröffnen spezifische Zugänge zu unterschiedlichen individuellen, universellen und kulturspezifischen Sichtweisen.10

Auf dieser Annahme baut der vorliegende Beitrag auf, der mit seinem bewusst gewählten Fokus auf ältere Literatur noch einen (insbesondere zeitlich) großen Schritt über die bisherigen Diskussionen hinausgeht.

Die vom Land Hessen veröffentlichten Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftlichen Abiturprüfungen im Landesabitur 201711 bzw. die sog. Leselisten für die Fächer Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch zeigen ebenfalls, dass Literatur durchaus noch verbindlich zu behandeln ist. So wird im Leistungskurs Französisch z.B. weiterhin u.a. auf Maupassant verwiesen, während für Spanisch Chirbes’ La buena letra, Skármetas Ardiente paciencia (El cartero de Neruda) und García Lorcas La casa de Bernarda Alba vorgeschrieben sind.12 Der Schwerpunkt liegt hier also sehr deutlich auf der spanischen und hispanoamerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Dass auch ‚Klassiker‘ der sog. ‚Weltliteratur‘ durchaus ihren Reiz und eine Relevanz für den kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht besitzen, zeigt Meike Hethey am Beispiel des Französischunterrichts. Diese ‚Weltliteratur‘ zeichnet sich „durch ihre Repräsentativität aus, vielfach durch ihre thematische, narrative oder generell ästhetische Innovation und Kreativität.“13 Ganz im Sinne des vorliegenden Beitrags ist es auch ihre Zeitlosigkeit und damit ihre Eigenschaft, Fragen aufzuwerfen und Probleme zu thematisieren, die für spätere Generationen nichts von ihrer Brisanz verloren haben,14 oder die Möglichkeit bieten, mit ihrer Hilfe über hochaktuelle Themen und Probleme zu sprechen. Hethey formuliert daher die Forderung, nicht nur an fremdsprachlicher Literatur festzuhalten, sondern darüber hinaus die Auswahl der im Fremdsprachenunterricht verwendeten ‚Klassiker‘ unbedingt breit aufzustellen. Diese Texte sollen dabei jedoch als literarische Produkte verstanden werden, die in erster Linie zu einer Auseinandersetzung der SchülerInnen mit den Themen und Motiven des Werkes führen.15

Was unser Aufsatz nun zu leisten versucht, ist kein weiterer, allgemein gehaltener Beitrag zur Notwendigkeit von literarischen Werken im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht. Vielmehr soll es hier um die Frage gehen, wie ‚Werke der Weltliteratur‘ – im Sinne Hetheys – und dabei konkret Werke des Mittelalters ihren Platz in diesen Diskussionen um Inhalte und Kompetenzen finden können. Dass das Mittelalter noch immer zentraler Bezugspunkt für unsere zeitgenössische Kultur und Gesellschaft ist, hat jedenfalls kaum jemand so auf den Punkt gebracht wie Umberto Eco mit seinen „Zehn Arten, vom Mittelalter zu träumen“.16 Ein wahrer Mittelalter-Boom17 lässt sich seit den 1980er Jahren in unterschiedlichsten Bereichen des kulturellen Lebens beobachten, man denke z.B. an die Vielzahl von Mittelaltermärkten, die Faszination für mittelalterliche Musik sowie die Präsenz mittelalterlicher Stoffe, Motive und Formen im Bereich von (Fantasy-)Literatur und Film bis hin zu Computerspielen. Kurz gesagt: Das Mittelalter ist überall – nur nicht in der Schule.18

Um diese Diskrepanz aufzuarbeiten, bietet der vorliegende Beitrag einen Anstoß, die durch Bildungsstandards und Kompetenzorientierung gewonnenen Freiräume für Literatur unterschiedlichster Art zu nutzen, um auch mittelalterliche Literatur im Schulkontext zu behandeln.19 Explizit sollen hier zwei Textstellen aus dem hochmittelalterlichen Epos Cantar de Mio Cid zunächst kommentierend vorgestellt und anschließend in Hinblick auf eine mögliche Umsetzung im Spanischunterricht der Sekundarstufe II erarbeitet werden. Der inhaltliche Aufgabenschwerpunkt soll dabei auf einem Aspekt liegen, der in der literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung schon seit längerer Zeit Hochkonjunktur hat, in der Schule aber erst langsam an Bedeutung gewinnt: Die Frage, wie man Gender-Debatten inhaltlich in die Schule und in den (Fremd-)Sprachenunterricht verlagern kann,20 steckt nämlich noch in den Anfängen.21 Die Eignung von literarischen Texten dürfte bei diesem Thema aber auf der Hand liegen:

Zum einen ist es bei […] der Sensibilität des Themas bisweilen einfacher, sich über Gendernormen am Beispiel literarischer Charaktere und Konstellationen anstelle eines direkten persönlichen Bezugs auszutauschen. Zum anderen ermöglichen sie – bei entsprechender Textauswahl – Einblicke und Perspektiven, die möglicherweise nicht heteronormativen Standards oder Geschlechterstereotypen entsprechen, und können so Anlass zur Reflexion dieser Normen und ihrer gesellschaftlichen Bedingungen sein oder als Identifikationsfiguren dienen.22

Wenn nun aber die Erschließung einer fremden Kultur (die nicht aus dem Nichts plötzlich im Jahr 2016 einfach ‚da‘ ist, sondern das konfliktive Produkt einer jahrhundertealten Geschichte repräsentiert) ein zentrales Lernziel des Fremdsprachenunterrichts darstellt und davon ausgehend kritisch über eigene Denkgewohnheiten, insbesondere auch bei der Frage nach Männlichkeit und Weiblichkeit, reflektiert werden soll, dann kann selbst ein Blick in die sehr alte Literatur von großer Relevanz und Brisanz sein.

Die konkrete Verortung dieses Themas in einem der bundesdeutschen Lehrpläne (hier: am Beispiel des hessischen Lehrplans für die Fremdsprache Spanisch) sehen wir im Bereich des verbindlichen Unterrichtsthemas La existencia humana en ambos mundos für die Qualifikationsphase 3 der Sekundarstufe II. Die SchülerInnen sollen hier „in der Auseinandersetzung mit menschlichen Grunderfahrungen, Denkweisen und Wertfragen Anregungen für eine eigenständige Lebenskonzeption erfahren.“23 Als verbindlicher Unterrichtsinhalt wird zudem Mujeres y hombres de ayer y de hoy24 – also auch ein diachroner Blick auf „Männer und Frauen“ – vorgegeben. Das Hinterfragen von Genderzuschreibungen und ein Blick auf deren kulturell bedingte Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte bieten sich daher an.25

Wenn wir nun konkret den (fragmentarisch überlieferten) Beginn des Cid-Epos betrachten, werden wir mit einem Titelhelden konfrontiert, den nichts weniger als ein Weinkrampf gepackt hält:26

 
De los sos ojos        tan fuertemientre llorando,
tornava la cabeça      e estávalos catando.
[…]  
Sospiró mio Cid,       ca mucho avié grandes cuidados,
fabló mio Cid,         bien e tan mesurado:
– ¡Grado a ti, Señor,  Padre que estás en alto!
¡Esto me an buelto     mios enemigos malos!
                                       (Cid I, 1, 1–9)

Warum aber weint der große Held „tan fuertemientre“?27 Obwohl der eigentliche Beginn des Epos verschollen ist, lässt sich aus der internen Textlogik und aus historischen Quellen zur extrafiktionalen Wirklichkeit des Rodrigo Díaz de Vivar, genannt ‚El Cid‘, rekonstruieren, dass dieser „grandes cuidados“ (‚große Sorgen‘) hat, da er gerade zu Unrecht vom kastilischen König Alfons VI., seinem Lehensherrn, in die Verbannung geschickt wurde.28 Das heftige Weinen wird von der Erzählinstanz an keiner Stelle – auch nicht in den von uns ausgelassenen Versen – kommentiert, es erscheint als eine zeitgenössische Selbstverständlichkeit, dass „grandes cuidados“ einen starken, exteriorisierten Gefühlsausbruch bei Rittern nahelegen. Der Erzähler stellt sich vielmehr von Beginn an subtil auf die Seite des Weinenden, indem er die Begründung für das Weinen und Seufzen (suspirar) des Cid benennt, den sich anschließenden Monolog mit Apostrophe an Gott als eine ‚gute und wohlabgewogene‘ Rede bewertet und in Parallelismen emphatisch den (arabischen) Ehrentitel des Ritters inklusive eines emotionale Verbundenheit und Gefolgschaft ausdrückenden Possessivpronomens („mio Cid“) aufruft.29 Die Schuldigen für die Trauer des Helden werden von ihm selbst ausgemacht: ‚böse Feinde‘ seien durch ihre Ränkespiele bei Hofe verantwortlich für seinen Schmerz.

Doch es bleibt nicht bei dieser Erkenntnis, dass auch ein Held wie der Cid Campeador angesichts großer Schicksalsschläge weinen ‚durfte‘, ohne damit seine Virilität aufs Spiel zu setzen, das Epos hält vielmehr noch weitere Überraschungen bereit, wenn wir es zunächst mit einem klischierten Mittelalterbild im Kopf lesen. Dass Frauen im Mittelalter in der Tat oft Opfer männlicher, teils sexualisierter Gewalt wurden, ist nun historisch belegt, es stellt sich aber die Frage, ob die Zeitgenossen dies einfach als männliches ‚Gewaltmonopol‘ zur Kenntnis nahmen oder ob sich kritische (männliche) Stimmen erhoben, wenn es um Männer ging, die Hand an Frauen legten.30 Im Cid-Epos ist die Situation nochmals zugespitzt, da es im dritten Gesang zu einem brutalen Übergriff der Schwiegersöhne des Campeador gegenüber ihren rechtmäßig angetrauten Ehefrauen kommt – Gewalt in der Ehe also, deren sexualisierte Variante als Vergewaltigung erst seit Mai 1997 einen Tatbestand im bundesdeutschen Strafrecht darstellt.31 Müssen wir also annehmen, dass ein Werk des Hochmittelalters hieran nichts Verwerfliches feststellen mag?

Fortsetzung des Artikels in
Romanische Studien 6 (2016)


  1. Vgl. für das aktuelle Kompetenzmodell: „KMK: Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache“, www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_10_18-Bildungsstandards-Fortgef-FS-Abi.pdf, 12, letzter Zugriff am 01.08.2016.
  2. Vgl. hierzu z.B. Karl-Richard Bausch, Eva Burwitz-Melzer u.a., Hrsg., Fremdsprachenunterricht im Spannungsfeld von Inhaltsorientierung und Kompetenzbestimmung (Tübingen: Narr, 2009).
  3. Neuhofer befürchtet z.B. eine ‚Entkulturalisierung‘ der Sprache, vgl. Monika Neuhofer, „Sprache ohne Kultur: zur Kompetenzorientierung in den Fremdsprachen (am Beispiel des Französischunterrichts in Österreich)“, Romanische Studien 3 (2016): 395–411.
  4. Vgl. Michael-Otto Blume, „Im Wunderland der Kompetenzen – Und wo bleiben die Inhalte?“, französisch heute 46, Nr. 3 (2015): 29–36.
  5. „KMK: Bildungsstandards“, 5.
  6. Vgl. „KMK: Bildungsstandards“, 5.
  7. Steinbrügge macht in diesem Zusammenhang auch eindrücklich deutlich, worin auf mehreren Ebenen für sie der Mehrwert von literarischen Texten besteht, vgl. Lieselotte Steinbrügge, „Das didaktische Potenzial von literarischen Texten im Fremdsprachunterricht“, französisch heute 46, Nr. 3 (2015): 5–10, hier 6–8; vgl. hierzu auch Meike Hethey, „Zum Potenzial von ‚Klassikern‘ in einem modernen Französischunterricht“, französisch heute 46, Nr. 3 (2015): 17–22, hier 18.
  8. Vgl. „KMK: Bildungsstandards“, 11.
  9. „KMK: Bildungsstandards“, 11.
  10. „KMK: Bildungsstandards“, 12. Die stärkere Öffnung des traditionellen Lektürekanons auch für andere mediale Formen (Film, Comic, etc.) schlägt sich auf fachdidaktischer Seite auch in einer Ausweitung und Ausdifferenzierung des Methodenrepertoires nieder, ebenso wie in der Entwicklung von Modellen, die auf eine gelungene Integration der Literatur in den kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht abzielen; vgl. z.B. Carola Surkamp, „Literarische Texte im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht“, in Kompetenzaufgaben im Englischunterricht: Grundlagen und Unterrichtsbeispiele, hrsg. von Wolfgang Hallet und Ullrich Krämer (Seelze: Kallmeyer-Klett, 2012), 77–90.
  11. Vgl. „KMK: Leselisten“, https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/hkm/la17-abiturerlass_leselisten.pdf, 2, letzter Zugriff am 09.08.2016.
  12. Vgl. „KMK : Leselisten“, 2.
  13. Hethey, „Zum Potenzial von ‚Klassikern‘“, 18.
  14. Vgl. Hethey, „Zum Potenzial von ‚Klassikern‘“, 18.
  15. Vgl. Hethey, „Zum Potenzial von ‚Klassikern‘“, 20.
  16. Umberto Eco, „Zehn Arten, vom Mittelalter zu träumen“, in Über Spiegel und andere Phänomene, hrsg. von Umberto Eco, übers. von Burkhart Kroeber (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2001), 111–26, hier besonders 116–8.
  17. Vgl. zur Konjunktur des Mittelalters z.B. Stephanie Wodianka, „Der Artushof als Reimport: zu den erinnerungskulturellen Eigentumsverhältnissen der Matière de Bretagne in Literatur und Film seit 1945“, in Unausweichlichkeit des Mythos: Mythopoiesis in der europäischen Romania nach 1945, hrsg. von Claudia Jünke und Michael Schwarze (München: Meidenbauer, 2007), 201–18, hier 201; ähnlich auch Ina Karg, „(Keine) Freude über ein ‚Lebenszeichen‘? Vermittlung von Mittelalter und seiner Literatur an die nachfolgende Generation im Deutschunterricht“, in Rezeptionskulturen: fünfhundert Jahre literarischer Mittelalterrezeption zwischen Kanon und Populärkultur, hrsg. von Mathias Herweg und Stefan Keppler-Tasaki (Berlin und Boston: De Gruyter, 2012), 425–41, hier 425.
  18. Für den Deutschunterricht sei hier auf Ina Karg verwiesen, die in diesem Zusammenhang ebenfalls für eine Vermittlung des Mittelalters und der mittelalterlichen Literatur im Deutschunterricht plädiert; vgl. Karg, „(Keine) Freude über ein ‚Lebenszeichen‘?“, 425.
  19. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt Ana Colton-Sonnenberg mit ihrem Beitrag zum interkulturellen Lernen im Spanischunterricht der gymnasialen Oberstufe am Beispiel des Romans Malinche (Laura Esquivel), der sich auch mit einem Nationalmythos auseinandersetzt und dessen zeitlicher Bezugspunkt am Ausgang des Mittelalters liegt, vgl. Ana Colton-Sonneberg, „Interkulturelles Lernen im Spanischunterricht der gymnasialen Oberstufe am Beispiel des Romans ‚Malinche‘ von Laura Esquivel“, Hispanorama 128 (2010): 53–60; interessant ist ebenfalls der Beitrag von Ursula Vences, der sich auf das Schicksal der mexikanischen Ordensfrau Sor Juana Inés de la Cruz im 17. Jahrhundert bezieht und darlegt, wie aktuell auch hier die Auseinandersetzung mit einem solchen Thema gerade auch in Hinblick auf interkulturelles Lernen sein kann: Ursula Vences, „Una transgresora: Sor Juana Inés de la Cruz“, Der Fremdsprachliche Unterricht Spanisch 16 (2007): 50–4.
  20. Gemeint ist nicht, dass der Forschungsschwerpunkt ‚Gender‘ nicht auch längst schon Gegenstand der Fremdsprachendidaktik ist, vielmehr geht es explizit um die Thematisierung von Gender-Fragen im Unterricht, die im Moment an Bedeutung gewinnt.
  21. Ein Indiz für das wachsende Bewusstsein um die Relevanz dieser Thematik ist beispielsweise die Working Session zum Thema „Queer- und genderorientierte Zugänge für einen Fremdsprachenunterricht der Vielfalt“ des 26. DGFF-Kongresses im Herbst 2015. Hier findet sich die Erkenntnis, dass sich Konzepte inter- bzw. transkulturellen Lernens auch hinsichtlich der Reflexion über die Kategorie ‚Geschlecht‘ eignen, da auch hier eine Perspektivenübernahme oder Re-Perspektivierung von Bedeutung ist. Als Medium solcher Prozesse werden literarische Texte oder Filme empfohlen, „die Erfahrungs- und Identifikationsräume schaffen und eine Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ermöglichen, bei der Lernende dennoch nicht unmittelbar von sich sprechen müssen.“ „DGFF: 26. Kongress“, http://kongress.dgff.de/de/freie-formate/freies-format-11.html, o.S., letzter Zugriff am 07.07.2016.
  22. Helene Decke-Cornill, Lotta König und Carola Surkamp, „Negotiating Gender: Aushandlungs- und Reflexionsprozesse über Geschlechtervorstellungen im Fremdsprachenunterricht anstoßen“, Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch 135 (2015): 2–8, hier 8.
  23. „Hessische Lehrpläne für das Fach Spanisch“, https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/go-spanisch.pdf, 44, letzter Zugriff am 11.08.2016.
  24. Vgl. „Hessische Lehrpläne für das Fach Spanisch“, 44.
  25. Im Zentrum steht dabei wohl immer noch die Frage nach dem (hispanischen) Machismo, einer übersteigerten Vorstellung von Virilität bzw. einem auto- wie heterodestruktiven Männlichkeitskult. Als sozialwissenschaftliches Konzept ist dieser Begriff des Machismo in den letzten Jahren vermehrt in die Kritik geraten, vgl. u.a. Matthew C. Gutmann, The Meanings of Macho (Berkeley u.a.: University of California Press, 22007), 221–42, für die Selbst- und Fremdwahrnehmung hispanischer Kulturen scheint er aber bis auf Weiteres kaum verzichtbar. Viele der als ‚machistisch‘ identifizierten Verhaltensmuster und Stereotype sind uns jedenfalls bei genauerer Betrachtung keineswegs so fremd, denn auch in Deutschland galt bzw. gilt Stärke, Kraft, Mut, Tapferkeit als Ausweis und Beweis der eigenen Männlichkeit im Sinne eines Männlichkeitsideals, das man nach Connell als ‚hegemoniale Männlichkeit‘ erfassen oder für unsere Zwecke etwas simpler als ‚Virilität‘ benennen kann; vgl. zur „hegemonic masculinity“ R.W. Connell, Masculinities (Berkeley u.a.: University of California Press, 22005), 77–8. Nicht nur ‚der Indianer kennt‘ bekanntlich ‚keinen Schmerz‘, auch noch viele heutige Männer werden sich wohl eher ungern weinend – wie der Cid als Epenheld – in der Öffentlichkeit zeigen.
  26. Als neuspanische Prosaübersetzung kann empfohlen werden: Alfonso Reyes, Hrsg., Cantar de Mio Cid (Madrid: Espasa-Calpe, 91988). Bei Reclam liegt außerdem eine zweisprachige Ausgabe (Altspanisch-Deutsch) vor: Victor Millet und Alberto Montaner, Hrsg. und Übersetzer, Cantar de Mio Cid = Das Lied von Mio Cid (Stuttgart: Reclam, 2013). Im Folgenden beziehen sich alle Zitate aus dem Epos unter Angabe von Gesang, Strophe und Vers auf diese Ausgabe.
  27. In der Forschung wird das Weinen des Helden oft übergangen; so kommentiert dies Leuker überhaupt nicht, und Marcos Martín begnügt sich damit, die für das Altspanische idiomatische Wendung ‚mit den Augen weinen‘ zu erläutern, vgl. Tobias Leuker, „Mittelalter“, in Spanische Literaturgeschichte, hrsg. von Carmen Rivero Iglesias (Paderborn: Fink, 2014), 13–4; Francisco A. Marcos Martín, Hrsg., Cantar de Mio Cid (Madrid: Biblioteca Nueva, 1997), 168, Fn. I. Der ausgezeichnete Kommentar von Alberto Montaner bietet hingegen eine kulturgeschichtliche Einordnung des Phänomens: „La frase […] implicaba que el llanto se reducía a las lágrimas, sin el acompañamiento, entonces habitual, de sollozos, voces y gestos.“ Alberto Montaner, Hrsg., Cantar de Mio Cid (Barcelona: Crítica, 1993), 103, Fn. I. Dies bedeutet, dass der Cid sehr wohl noch als relativ gefasst porträtiert wird, da im Mittelalter offenbar weit expressivere Äußerungen des Schmerzes üblich („habitual“) waren.
  28. Nachzulesen in einer überlieferten Prosafassung der verschollenen Anfangsverse, vgl. Millet und Montaner, Hrsg. und Übers., Cantar de Mio Cid, 10.
  29. ‚Cid‘ < sayyid (so im klassischen Arabisch; dialektal: sîd) – vgl. hierzu auch Montaner, Hrsg.,Cantar de Mio Cid, 101, Fn. b.
  30. Classen hält in diesem Kontext zu Recht fest: „We know that […] medieval laws treated rape harshly as a severely punishable act […]“, Albrecht Classen, Sexual Violence and Rape in the Middle Ages (Berlin u.a.: De Gruyter, 2011), 5, mit weiterführenden Literaturangaben; in den Rechtstexten des Mittelalters kann jedenfalls von Toleranz gegenüber Vergewaltigern keine Rede sein.
  31. Vgl. Yi-fen Shaw, Entwicklung und Reform zur Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB (Frankfurt a.M.: Peter Lang, 2005), 56–8.

 

Ill.: Filmposter Cid

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