Postliterarisches Zeitalter?

Französisch, Notizen

Alain Viala, „Wonach der Geist der Nation verlangt: Franzosen lesen genug, wähnen sich aber unablässig in der Literaturkrise: Über eine Anomalie“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Di. 13. August 2019.

Alain Viala fragt im Anschluss an Johan Faerbers Neuerscheinung Après la littérature (PUF, 2018), ob die Literaturnation Frankreich im postliterarischen Zeitalter angekommen sei:

Schuld sollen die vier Reiter der literarischen Apokalypse haben: erstens die digitalen Medien, zweitens die schlappe Literaturkritik, drittens die Epidemie des Formalismus, welche die Literatur ausgeblutet habe, viertens das Bildungswesen, das vom Collège bis zur Universität die unheilvollen Theorien der strukturalistischen Dreieinigkeit Marx–Saussure–Freud verkünde oder die des poststrukturalistischen Trios Barthes–Foucault–Bourdieu.

Speziell im Bildungssystem hat die Literatur ihre Rolle zur Distinktion inzwischen verloren:

Mit dem Abitur als symbolischem Diplom der gehobenen Mittelschicht schlossen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gerade mal ein Prozent eines Schülerjahrgangs ab, heute sind es in Frankreich achtzig Prozent. Die Literatur gilt zwar nach wie vor als gemeinsame Basis eines legitimierten Kulturverständnisses, was die außerordentlich hohen Verkaufszahlen der Klassiker bezeugen. Aber wählten zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts 75 Prozent der Absolventen das Abitur mit literarischem Schwerpunkt, ist dieser Anteil heute auf acht Prozent gefallen.

Insgesamt gelangt Viala zum Fazit: „Paradox einer prosperierenden Literatur bei Krisengerede“. Auch der übrige Artikel ist gute Diskussiongrundlage für die Sommerpause, in der Frankfurter Allgemeinen gedruckt und online.

 

 

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