Der Mensch als Marionette des Computers
Eva Erdmann bespricht im kommenden Heft der Romanischen Studien das Schauspiel Ich schau Dich an / Je te regarde, von Alexandra Badea mit Schauspielern und Puppen, eine Kooperation mit La Filature Scène nationale de Mulhouse und dem TJP, Centre Dramatique National d’Alsace – Strasbourg und dem Theater Freiburg
Ich schau Dich an / Je te regarde (UA)
Schauspiel von Alexandra Badea mit Schauspielern und Puppen, Regie: Jarg Pataki | Seite des Theaters Freiburg und Aufführungstermine
„Vier Personen; ein Mitarbeiter eines Multikonzerns, eine dynamische Ehefrau, eine Gefängniswärterin und ein Beamter der Flughafensicherheit sitzen in verschiedenen Winkeln des globalen Cyberspace. In einer entscheidenden Minute ihres Lebens werden sich die vier kontrollsüchtigen Menschen in der echten Welt begegnen. Bis dahin verbringen sie ihre Lebenszeit in virtuellen Schnittstellenbeziehungen mit Avataren, Dating Sites und Spycams. Der Mensch wird die Puppe des Computers. In einem futuristisch bildreich animierten Kosmos treffen entsprechend deutsche Schauspieler auf französische Puppenspieler und werden manipuliert. Ein verwirrender Blick auf die Einsamkeit in Zeiten der Digitalisierung.
Eine Kooperation mit La Filature Scène nationale de Mulhouse und dem TJP, Centre Dramatique National d’Alsace – Strasbourg und dem Theater Freiburg“
Vier Personen sitzen anonymisiert in verschiedenen Winkeln des globalen Cyberspace: Ein Konzernchef verliebt sich in eine aufstrebende Angestellte am anderen Ende der Welt, wird jedoch von seiner dynamischen Ehefrau ertappt. Eine Gefängniswärterin gerät in emotionale Abhängigkeit zu einem Inhaftierten, der versucht sie auszunutzen. Der Sicherheitschef eines Flughafens hat Schwierigkeiten, mit den neuen Sicherheitssystemen Schritt zu halten. In einer entscheidenden Minute ihres Lebens werden sich diese vier kontrollsüchtigen Menschen in der echten Welt begegnen. Bis dahin verbringen sie ihre Lebenszeit in virtuellen Schnittstellenbeziehungen mit Avataren, auf Dating Sites oder vor Spycams. Sie lächeln und flirten mit der Überwachungskamera, selbst die Einschätzung des persönlichen Glücks wird einem Computerprogramm überlassen. Der Mensch wird die Marionette des Computers.
Namenlos und nur durch Usernummern gekennzeichnet sind die vier Protagonisten in Alexandra Badeas neuem Stück Ich schaue dich an. Regelrecht entpersonalisiert ist auch ihr Alltag. Das Leben funktioniert und fließt dahin, doch im Wechsel von Kontrolle und Selbstkontrolle, dem Spiel von Distanz und Nähe, von Realität und projizierter Wirklichkeit, kommen sie selbst nicht mehr vor. Alle privaten Wünsche, Sehnsüchte, Gefühle finden nicht gelebt, sondern nur digitalisiert statt. Man kennt sich, fast jede Information lässt sich irgendwie beschaffen und doch kennt man sich nicht. Man scheitert an seinem Leben, aber solange die Repräsentation im Internet stattfindet, findet man als Person statt. Das digitale Abziehbild wird zum Beweis der eigenen Existenz. Badea beschreibt sensibel und nüchtern ein großes Dilemma unserer Gegenwart. Die Menschen kommen nicht zueinander, sondern spalten sich in Parallelwelten ab. Das reale Zusammentreffen hingegen steigert sich hier zur Katastrophe.
Alexandra Badea, 1980 in Rumänien geboren, studierte in Bukarest Regie. Seit 2003 lebt sie in Paris und arbeitet als Regisseurin, Drehbuchautorin und Bühnenbildnerin in Frankreich und Rumänien.
Ill.: Bild des Theater Freiburg Blogs