H. H. Wetzel: Laudatio auf Claudio Magris

BeitrÀge, Italienisch

Hermann H. Wetzel, „Laudatio auf Claudio Magris: zur Verleihung der EhrendoktorwĂŒrde an der UniversitĂ€t Regensburg am 17. Januar 2018“, zur Publikation vorgesehen in Romanische Studien.


Vorabdruck der Rede

Laudatio auf Claudio Magris

zur Verleihung der EhrendoktorwĂŒrde an der UniversitĂ€t Regensburg am 17. Januar 2018

Hermann H. Wetzel

Sehr geehrter FestgÀste, sehr geehrter, lieber Claudio Magris!

Wozu verleiht eine FakultĂ€t die EhrendoktorwĂŒrde an einen Autor, der neben seinen zahllosen Auszeichnungen auf der ganzen Welt (literarischen und kulturell-politischen Preisen, darunter 2009 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Mitgliedschaften in hochangesehenen Akademien, Orden und Ehrenzeichen) – der neben diesen Auszeichnungen, wenn ich richtig mitgezĂ€hlt habe, schon ein Dutzend Ehrendoktoren von berĂŒhmten UniversitĂ€ten von Lima bis Berlin entgegen genommen hat?

Da Claudio Magris wie ein Brillant viele Facetten hat, ist die Antwort vielschichtig, gleichzeitig aber denkbar einfach: Weil er es verdient hat! Er hat es verdient, fĂŒr sein vielfĂ€ltiges Werk auch mehrfach geehrt zu werden: Er gehört zu jener seltenen Spezies von Wissenschaftlern – um die drei wichtigsten Bereiche, in denen er sich hervorgetan hat, herauszugreifen –, die nicht nur in ihrem Beruf als UniversitĂ€tsprofessor fĂŒr Deutsche Sprache und Literatur Hervorragendes geleistet hat, sondern auch ĂŒber Jahre als weltweiser und politisch engagierter Kommentator des Zeitgeschehens im Corriere della Sera und anderen ĂŒberregionalen Medien sowie – und so etwas ist in Deutschland fĂŒr einen UniversitĂ€tsprofessor und Schriftsteller fast undenkbar – als parteipolitisch unabhĂ€ngiges Mitglied des Senats der Italienischen Republik direkten Einfluss auf das politische Geschehen in Italien genommen hat. Neben diesen Haupt- und Staatsaktions-GrĂŒnden hat unsere FakultĂ€t auch noch ganz eigene, sozusagen private, die sie mit Claudio Magris verbinden: Er hat mit Pate gestanden bei der Schaffung eines deutsch-italienischen Studiengangs der UniversitĂ€ten Triest und Regensburg und er war schon mehrfach zu VortrĂ€gen und Dichterlesungen hier in der Stadt, nicht zuletzt deshalb, weil Regensburg in seinem berĂŒhmten Donau-Buch einen wĂŒrdigen Platz einnimmt. Damit sind wir nach der Wissenschaft und der Politik beim dritten Bereich seiner Verdienste, der ihn vor allen anderen fĂŒr die Ehrung durch eine FakultĂ€t fĂŒr Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft prĂ€destiniert: Er ist einer der erfolgreichsten italienischen Schriftsteller, dessen umfangreiches Werk weltweit gelesen wird.

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Angesichts der aufgezĂ€hlten Meriten dĂŒrfte Ihnen schon klar geworden sein, dass sich die UniversitĂ€t Regensburg – ganz uneigennĂŒtzig! – auch etwas von dieser Ehrenpromotion erhofft: dass nĂ€mlich etwas von dem Glanz, den der Geehrte ausstrahlt, auch auf sie falle. Dank seinem EinverstĂ€ndnis kann sie sich zu Ihrem 50jĂ€hrigen GrĂŒndungsjubilĂ€um selbst ehren, indem sie ihn in ihre wissenschaftliche Gemeinschaft aufnimmt. Einer jungen UniversitĂ€t – und nach 50 Jahren ist eine UniversitĂ€t gerade mal ‚aus dem Gröbsten raus‘, wie man so schön sagt – einer jungen UniversitĂ€t mangelt es zwar meist nicht an wahrhaften und noch weniger an angeblichen VĂ€tern, aber es mangelt an Vorbildern und aus der Vergangenheit in die Zukunft weisenden Stichwortgebern, da sie noch keine oder zumindest wenig Zeit hatte, sie in ihren eigenen Reihen heranzubilden.

Wenn die FakultĂ€t Claudio Magris ehrt, dann ist dies also mehrfach Programm: Sie ergreift Partei fĂŒr eine Wissenschaft, die sich nicht in ihrem sprichwörtlichen Elfenbeinturm vergrĂ€bt, sondern auf vielfĂ€ltige Weise in die Öffentlichkeit hineinwirkt. Schon seine Promotion von 1963 an der UniversitĂ€t von Triest, einer Stadt, die gerade erst wieder nach der UNO-Verwaltung in das italienische Staatsgebiet zurĂŒckgekehrt war (1954), weist in ihrem Titel, Der Habsburger-Mythos in der modernen österreichischen Literatur,[1] auf ein kulturgeschichtliches und kulturpolitisches PhĂ€nomen hin, das im nordöstlichen Teil Italiens der frĂŒhen sechziger Jahre zunĂ€chst wenig karrierefördernd erschien. In diesen Jahren waren nĂ€mlich die österreichische Vergangenheit und der blutige Loslösungsprozess dieses Teils des heutigen Italiens von der Donaumonarchie im Ersten Weltkrieg erst gut eine Generation vergangen und der SĂŒdtirol-Konflikt sogar noch brandaktuell. Damals, d. h. zu Zeiten des noch annĂ€hernd rostfreien und sehr stabilen Eisernen Vorhanges, wo man alles, was hinter diesem Vorhang lag, zu vergessen und zu verdrĂ€ngen suchte, um sich auf Gedeih und Verderb dem amerikanisierten Westen in die Arme zu werfen, war die Erinnerung an die Existenz eines kulturellen Raums namens Mitteleuropa, zu dem große Teile Osteuropas und der Balkan gehörten, alles andere als politisch opportun. Selbst wenn oder gerade weil Norditalien unter den Habsburgern teilweise politisch wesentlich fortschrittlicher war als der damalige Kirchenstaat und der bourbonische SĂŒden.

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So geht Claudio Magris wissenschaftliche Arbeit nahtlos ĂŒber in die kulturpolitische Wirksamkeit seines literarischen Werks. Der Vielvölkerstaat unter den wachsamen vier Doppel-Adler-Augen besaß und besitzt ein kulturelles Identifikationspotential, das nach den völkermordenden Exzessen der nationalen und nationalistischen Phase in der Geschichte Europas neue und trotz aller inzwischen verĂ€nderten politischen und wirtschaftlichen Konstellationen zukunftsweisende AktualitĂ€t gewinnt.

Claudio Magris eignet sich wie kein anderer, wertvolle und fĂŒr die IdentitĂ€t Europas, das wieder in nationale Partikularismen zu zerfallen droht, dringend notwendige Impulse zu geben. Nicht nur jedes Individuum, auch jedes staatliche Kollektiv braucht zur Konstruktion seiner IdentitĂ€t, die ihm emotionale Sicherheit und intellektuelle StabilitĂ€t verleiht, einen Schatz gemeinsamer kultureller Erinnerungen, eine gemeinsame aus Geschichten zusammengesetzte Geschichte, das was man heute gern ein ‚Narrativ‘ nennt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten lieux de mĂ©moire bzw. Erinnerungsorte. Das kulturelle GedĂ€chtnis ist die Grundlage familiĂ€rer, lokaler, regionaler, nationaler und supranationaler IdentitĂ€t. Welch katastrophale Folgen das Fehlen einer solchen kulturell verankerten IdentitĂ€t hat und welch traurige Existenzen daraus resultieren, erleben wir ja heute fast tĂ€glich angesichts des Gezwitschers im Internet. Es genĂŒgt nicht, dass dort das gesamte Weltwissen auf Abruf zur VerfĂŒgung steht, entscheidend ist die sorgfĂ€ltig auswĂ€hlende Aktualisierung in einem Bewusstsein, die geduldige Pflege in den Erziehungs- und Bildungsinstitutionen und die Formung durch Literatur und Kunst.

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Die jungen Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts wussten, dass man eine solche IdentitĂ€t erst gezielt aufbauen muss. Ein schönes, naheliegendes Beispiel bietet Bayern, Anfang des 19. Jahrhunderts ein neu geschaffenes Königreich von Napoleons Gnaden, wo man Bayern, Schwaben, Franken, die ReichsstĂ€dte und die vielen unabhĂ€ngigen kirchlichen Territorien zu einem einheitlichen Staat formen und seinen heterogenen Bestandteilen zu einem IdentitĂ€tsbewusstsein verhelfen musste. Mit Erfolg, wie man heute sehen kann, unter anderem dank weitsichtiger königlicher Dekrete, die im Volk das Tragen von Lederhosen und Dirndln förderten. Erinnerungsorte beziehen sich nĂ€mlich nicht nur auf geographische Orte, sondern auch auf Brauchtum, BĂŒcher, GegenstĂ€nde, Geschichten jeder Art und sie mĂŒssen, wie Jan Assmann[2] in seinen Arbeiten ĂŒber das kulturelle GedĂ€chtnis gezeigt hat, auf eine eindeutige Gruppe bezogen, in eine gĂŒltige Form gebracht, in Institutionen wie Schulen, UniversitĂ€ten, Vereinen etc. gepflegt und immer neu auf die Gegenwart bezogen werden, um ihre Wirksamkeit zu entfalten.

Die Konstruktion einer Ă€hnlich gearteten europĂ€ischen IdentitĂ€t wurde ĂŒber der ökonomischen Einigung strĂ€flich vernachlĂ€ssigt und es wurde so getan, als entstĂŒnde mit Zollfreiheit und offenen Grenzen diese IdentitĂ€t von selbst. Außer Karl dem Großen, der AufklĂ€rung, Verdun und dem Holocaust ist unseren Vordenkern noch nicht viel in dieser Richtung eingefallen, wobei der Bezug von Erinnerungsorten zu verschiedenen, ja kontrĂ€ren Gruppen ihre identitĂ€tsstiftende Wirkung leicht wieder zunichtemacht: Die Sachsen erinnern sich, sollten sie im Geschichtsunterricht aufgepasst haben, vermutlich nicht so gerne an Karl den Großen; der AufklĂ€rung werden bekanntlich auch dialektische Schattenseiten zugeschrieben und Verdun kannte Sieger und Besiegte. Bis zu der allgemeinen Erkenntnis, dass es eigentlich in Verdun nur eine einzige Gruppe, nĂ€mlich nur Verlierer gab, das heißt, dass es ein Erinnerungsort fĂŒr Franzosen, Deutsche und all die beteiligten Nationen gleichermaßen war, brauchte es eine Weile. Eine Ă€hnliche Diskrepanz zwischen den Gruppen der TĂ€ter und der Opfer zeichnet den Holocaust als Erinnerungsort aus, der dadurch nur unter erheblichem ErklĂ€rungsaufwand als identitĂ€tsstiftend fĂŒr Europa betrachtet werden kann.

Je grĂ¶ĂŸer der geographische Raum, der durch eine IdentitĂ€t geeint werden soll, desto schwieriger ist es, den Bezug zu einer bestimmten Gruppe erkennbar zu machen. Welche Erinnerungsorte könnten denn alle Mitgliedsstaaten der EU einen? Es wird in Zukunft eher darum gehen, ein Netz zu knĂŒpfen, dessen Knoten jeweils nur einige der Beteiligten zu einer erkennbaren Gruppe mit gemeinsamen Erinnerungsorten zusammenfasst, das letztlich insgesamt aber eine stabile Verbindung ergibt. Ähnlich wie das einzelne Individuum in die verschiedensten Gruppen eingebunden ist, die sich nicht unbedingt auf ein einziges gemeinsames Interesse einigen können mĂŒssen.

Claudio Magris Werk nun ist eine wahre Fundgrube europĂ€ischer Erinnerungsorte, die wie in einem kunstvollen Patchwork zusammengenĂ€ht und Ă€sthetisch gestaltet sind. Seine von einer unbĂ€ndigen ErzĂ€hllust getragene Formulierungskunst verleiht ihnen Dauer und bietet – nicht zu vergessen! – dem Leser VergnĂŒgen; ein nicht zu unterschĂ€tzender Faktor fĂŒr die Wirksamkeit des kulturellen GedĂ€chtnisses: Ich muss mich mit etwas positiv identifizieren können, damit es Bestandteil meiner IdentitĂ€t wird.

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Ich erwÀhne nur zwei der Orte, die in Magris Werk wie ein roter Faden immer wieder auftauchen, nÀmlich Triest, und, weil wir hier in Regensburg sind, den Donauraum.

In seinem zusammen mit Angelo Ara verfassten Band ĂŒber seine Heimatstadt Triest[3] wird die identitĂ€tsstiftende Wirkung der Vermischung verschiedener Kulturen, der romanischen, germanischen, slawischen und orientalischen (jĂŒdischen, armenischen, tĂŒrkischen) Welt, im damals einzigen österreichischen Überseehafen Triest dargestellt, ein Gesichtspunkt, der in der deutschen Übersetzung des Untertitels (Eine literarische Hauptstadt in Mitteleuropa statt eine ‚IdentitĂ€t der Grenze‘) leider verlorengeht. Es zeigt sich an Triest, dass selbst das Fehlen einer einzigen Sprache, die ja als eine der grundlegenden Konstituenten von IdentitĂ€t und, darauf fußend, nationaler Einheit gilt, kein unĂŒberwindliches Hindernis fĂŒr eine kulturelle IdentitĂ€t darstellt. Im Gegenteil, die Mehrsprachigkeit erweitert und vertieft die IdentitĂ€t. Ein Mensch, der mehrere Sprachen spricht, ihre Literatur kennt und dadurch tief in ihre Kultur eingetaucht ist, kann sich auf ein verbreitertes Fundament stĂŒtzen, ist sich der HybriditĂ€t von Kultur bewusst und braucht daher zur Toleranz anderen Werten gegenĂŒber nicht erst erzogen zu werden. Obwohl Triest damals und auch heute noch, wenn auch in geringerem Ausmaß, ein Schmelztiegel der Kulturenwar und ist, verschweigt Magris keineswegs die Spannungen im Zeitalter der erstarkenden Nationalbewegungen, die den Menschen allerdings von außen, von der Politik oktroyiert wurden. Statt wie im politischen Kampf zu gewalttĂ€tigen Auseinandersetzungen zu fĂŒhren, kann es der Kultur gelingen, diese Spannungen kulturell fruchtbar zu machen. Triest hat am Anfang und wĂ€hrend des gesamten 20. Jahrhunderts eine ganze Reihe bekannte und weniger bekannte Schriftsteller hervorgebracht, deren Werk von diesen Spannungen und ihrer Ă€sthetischen Verarbeitung geprĂ€gt ist: Italo Svevo (der die Spannung zwischen dem italienischen und deutschen Kulturraum schon in sein Pseudonym ĂŒbernahm: erklĂ€ren Ettore Schmitz) sowie Umberto Saba, Scipio Slataper, Roberto Bazlen, Giani Stuparich, Tomizza, Marisa Madieri und nicht zuletzt unseren heutigen Ehrengast.

Auch seine neueste Veröffentlichung Non luogo a procedere (dt. Verfahren eingestellt)[4] spielt in Triest, um allerdings von dort weltweit auszugreifen. Statt des traditionellen Si vis pacem para bellum huldigt dieser Held der Devise: Wenn Du den Krieg vermeiden willst, dann erzĂ€hle vom Krieg. Der tragisch endende, skurrile Kauz – und Triest scheint ein besonders guter NĂ€hrboden fĂŒr solche ‚verhaltensoriginelle‘ Personen zu sein –, eine Mischung aus Zeitzeuge, Historiker und manischem Sammler fĂŒr ein erst noch zu etablierendes, vor allem mit verschrotteten Waffen bestĂŒcktes Museum, braucht z. B. nur ein indianisches Mordinstrument mit dem unaussprechlichen Namen macuahuitl, um die ganze Geschichte Mittelamerikas, ihrer Eroberer, ihrer indigenen Bevölkerung und der schwarzen Sklaven in immer neuen ErzĂ€hlschleifen zu umkreisen, um letztlich immer wieder nach Triest und zu seiner jĂŒngsten Geschichte zurĂŒckzukehren, in deren Zentrum die traumatische Erfahrung des Faschismus und der deutsche Besatzung stehen, die dort das lange aus dem Bewusstsein verdrĂ€ngte Vernichtungslager der Risiera eingerichtet hatte.

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Liest man ein Buch wie dasjenige ĂŒber die Donau[5] so wird dem Leser auf Schritt und Tritt, buchstĂ€blich beim Entlangwandern, bewusst, dass weder die Natur noch die Kultur nationale Grenzen kannte. Sogenannte natĂŒrliche Grenzen wie Gebirge und FlĂŒsse können den Austausch zwar zeitweilig behindern, aber nicht unterbinden. Vor allem die FlĂŒsse sind seit den frĂŒhesten Zeiten der Menschheitsgeschichte eher verbindend und kommunikativ als trennend. Wenn der Rhein in Zeiten, in denen BrĂŒcken kein technisches Problem mehr waren, zu einer natĂŒrlichen Grenze zwischen Frankreich und Deutschland erklĂ€rt wurde, so war dies ein ideologisches Konstrukt, das zwar die politisch-kartographische Grenzziehung erleichterte, aber wenig mit den kulturellen RĂ€umen zu tun hatte. Magris reiht am ErzĂ€hlfaden der Donau auf kurzweilige und abwechslungsreiche Art und Weise eine ganze EnzyklopĂ€die des Donauraums auf: Geographie und Geologie seit den prĂ€historischen Zeiten der Ur-Donau, der Ur-Rheins und des Ur-Neckars, lokale und Welt-Geschichte, Literatur in verschiedensten Sprachen, Architektur, Musik etc. etc. die die Einheit des Donauraumes, ja ganz Mitteleuropas im vergegenwĂ€rtigenden Nachvollzug Ă€sthetisch erfahrbar macht.

Ein solches randvoll gefĂŒlltes Reservoir an möglichen Erinnerungsorten bedarf nach ihrer literarischen Formung nur noch der Aktualisierung und der Pflege, um wirksam zu werden.

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Claudio Magris ist aber, wie bereits erwĂ€hnt, nicht nur auf Europa oder gar lediglich die Donaumonarchie fixiert, seine Helden – die eher Anti-Helden sind – greifen weit aus bis in den Orient, von der Hafenstadt Triest in die ganze Welt, nach SĂŒdamerika, in den fernen Osten bis Tasmanien. Eher als von Helden spricht man wohl besser von Abenteurern und Reisenden, die sich ganz altmodisch auf Reisen bilden, indem sie mit ihren vom Autor liebevoll vermittelten Erfahrungen die Grundlagen ihrer und unserer, der Leser, IdentitĂ€t erweitern und vertiefen. Magris bietet kein Kompendium dogmatischer Lehren, sondern wie einst Montaigne eine Sammlung von essayistischen ErzĂ€hlungen, die den Leser zur eigenen Reflexion und Urteilsfindung anregen.

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Man kann die UniversitĂ€t Regensburg nur beglĂŒckwĂŒnschen zu diesem neuen Mitglied in der akademischen Familie und Claudio Magris nur bitten, noch möglichst lange so wunderbar unterhaltsame und gleichzeitig, ohne belehrend zu sein, lehrreiche BĂŒcher zu schreiben.


  1. Claudio Magris, Il mito asburgico: umanità e stile del mondo austroungarico nella letteratura austriaca moderna (Torino: Einaudi, 1963). ↑
  2. Jan Assmann, „Kollektives GedĂ€chtnis und kulturelle IdentitĂ€t“, in Kultur und GedĂ€chtnis, hrsg. von Jan Assmann und Tonio Hölscher, stw 724 (Frankfurt: Suhrkamp, 1988), 9–19. ↑
  3. Claudio Magris, Trieste: un’identità di frontiera (Torino: Einaudi, 1982). ↑
  4. Claudio Magris, Non luogo a procedere (Milano: Garzanti, 2015). ↑
  5. Claudio Magris, Danubio (Milano: Garzanti, 1986). ↑

Ill.: Thomas Berg, „Claudio Magris“

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